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NEUES THEMA11.06.2025, 13:38 Uhr
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FPeregrin

• Zur Neukonstituierung d. KPD 1945 jW heute:

Ein ganz anderer Weg

»Wir deutschen Kommunisten erklären, dass auch wir uns schuldig fühlen«: Zur Neukonstituierung der KPD im Juni 1945

Von Leo Schwarz

Die Örtlichkeiten nimmt nur noch wahr, wer von ihnen weiß und nach ihnen sucht. In der Einbecker Straße im Berliner Bezirk Lichtenberg, die 1945 noch Prinzenallee hieß, ist die einst an dem Mietshaus mit der Nummer 41 angebrachte Gedenktafel, die Passanten darauf aufmerksam machte, dass sich hier von Mai bis Juli 1945 »der Sitz des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands« befand, schon seit Jahrzehnten verschwunden. Im Erdgeschoss des Eckhauses gegenüber wartet ein »Gebrauchtwarenhaus« auf Kundschaft – noch hat die auch in dieser Ecke Berlins angekommene Gentrifizierungswelle den ehemaligen Kleine-Leute-Kiez nicht gänzlich unter sich begraben. Sichtbar »wertsteigernd« saniert wurde das Haus an der Ecke Archenholdstraße 100 Meter weiter. Hier befand sich 1945 das Lokal »Rose«, in dem in den ersten Wochen nach Kriegsende die Beratungen und Aussprachen der aus dem sowjetischen Exil zurückgekehrten »Beauftragten des Zentralkomitees« um Walter Ulbricht mit den Funktionären der sich reorganisierenden KPD stattfanden. Die Gaststätte, die 1990 noch existierte, gibt es längst nicht mehr; der ehemalige Eingang zu dem Ecklokal ist vermauert.

In diesem recht übersichtlichen Areal wurde vor 80 Jahren die am 11. Juni 1945 – einen Tag nach der mit dem Befehl Nr. 2 der sowjetischen Militäradministration erfolgten Zulassung der Bildung antifaschistisch-demokratischer Parteien – öffentlich proklamierte Neukonstituierung der KPD vorbereitet und gesteuert. Der am 11. Juni über Flugblätter und den Berliner Rundfunk und am 13. Juni im neuen Zentralorgan Deutsche Volkszeitung verbreitete Aufruf der Partei, der einst von Historikern in der DDR und auch in der Bundesrepublik als eines der zentralen Dokumente der frühen Nachkriegszeit herausgestellt (wenn auch sehr unterschiedlich bewertet) wurde, wird heute kaum mehr beachtet; aus der erinnerten Geschichte ist er verschwunden. Ein Umstand, der exemplarisch auf das gerade auch innerhalb linker Debatten normalisierte Desinteresse an der Geschichte der kommunistischen Bewegung in Deutschland verweist – denn der vergessene Aufruf vom 11. Juni 1945 ist, wie der kürzlich verstorbene Historiker Günter Benser 2009 betont hat, vermutlich das »am weitesten verbreitete, am häufigsten veröffentlichte, zitierte und interpretierte Dokument der Kommunistischen Partei Deutschlands«.

Die höchstens noch sporadische, dann meist von Zuschreibungen und Schlagworten gekennzeichnete Befassung mit der Geschichte der KPD begünstigt eine politisch interessierte Deutung der ersten Phase der kommunistischen Nachkriegspolitik: Der politische Ansatz der KPD wird darin, direkt konträr zum Inhalt des Aufrufs vom 11. Juni und zur belegbaren politischen Praxis der Partei im Jahr 1945, als Schritt hin zur »Diktaturdurchsetzung« im Osten bzw. als Element einer Strategie zur »kommunistischen Machteroberung« in ganz Deutschland dargestellt.

Die zutreffende Interpretation, dass der Aufruf vom 11. Juni »nicht kommunistisch, noch nicht einmal sozialistisch war« (Erich W. Gniffke), hat zuletzt Ilko-Sascha Kowalczuk im zweiten Band seiner Ulbricht-Biographie zurückgewiesen. Die auch von ihm eingeräumte erhebliche Breitenwirkung des Aufrufes beruhte demnach auf einer unzutreffenden »Wahrnehmung« des Inhalts. Die »Wahrnehmung« der Zeitgenossen muss falsch gewesen sein, weil sonst Kowalczuks Prämisse falsch wäre: Für die Auffassung, dass Moskau und die KPD-Spitze zunächst »tatsächlich eine Demokratie westlichen Typs im Blick« hatten, gebe es nämlich keine Belege. In keiner Konstellation, versichert Kowalczuk, habe Stalin für Deutschland »einen anderen als den sowjetischen Weg« ins Auge gefasst – eine Behauptung, für die es in der Tat »keine Belege« gibt.

Offene Flanke

Geschichte als Missverständnis, ideologische Glaubenssätze als Ertrag der Forschung – hier deutet sich an, dass der Aufruf vom 11. Juni für die antikommunistische Publizistik noch immer ein ernstes Problem ist. Denn er steht genau für das Gegenteil des der KPD untergeschobenen Ansatzes, nämlich für die (natürlich im Rahmen der deutschlandpolitischen Konzeption in Moskau erfolgende) Absage an ein »Sowjetdeutschland«, an eine revolutionäre Errichtung der Diktatur des Proletariats und eine scharfe Klassenkampfpolitik, und umgekehrt für das Versprechen einer Orientierung auf eine antifaschistische Politik der »Einheit« mit Sozialdemokraten und bürgerlichen Antifaschisten im Rahmen einer »parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk«. Er zog somit die letzten Konsequenzen aus der 1934/35 eingeleiteten Abwendung vom »ultralinken« Kurs.

Genau so ist der Aufruf 1945 von Freund und Feind auch verstanden worden. Und das war keine Frage der subjektiven »Wahrnehmung«, sondern eine der konkreten Politik. Aus dieser »neuen Linie« ergab sich für die KPD-Führung ein ganzes Bündel an sehr realen Problemen – angefangen damit, dass viele alte Genossen diesen Kurs nicht verstanden und oft nur aus Disziplin »mitzogen«. Wie schon in der Phase der halblegalen lokalen Selbstorganisation im Zusammenhang mit den antifaschistischen Ausschüssen zeigte sich noch verstärkt nach dem 11. Juni, dass »ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Genossen auf dem Niveau des Jahres 1932 stehen geblieben« war, wie es der nach zehnjähriger Haft aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden befreite Waldemar Schmidt, ab Juni 1945 in der Berliner Bezirksleitung der KPD zunächst für Organisationsfragen zuständig, ausdrückte.

Ein weiteres ernstes, so nicht vorhergesehenes Problem war, dass die KPD mit diesem Ansatz rechten Sozialdemokraten die Flanke öffnete und ihnen die – sofort ausgenutzte – Möglichkeit bot, die KPD »links zu überholen«: Die antikommunistische Formierung der SPD in den Westzonen erfolgte 1945/46 geradezu unter der Parole »Sozialismus als Tagesaufgabe«. Das war so unmittelbar nach Kriegsende, als sich etwa die »Gruppe Ulbricht« zunächst auf den schlicht lebensnotwendigen und politisch exemplarischen Aufbau eines neuen Verwaltungsapparates in der deutschen Hauptstadt konzentrierte, noch nicht absehbar. Schwer einzuschätzen war, welche Rolle die Sozialdemokratie – die seit dem Ende der 30er Jahre sowohl im Inland als auch im Exil kaum noch als politischer Faktor in Erscheinung getreten war – noch spielen würde. Und in der allerersten Nachkriegszeit waren es gerade Sozialdemokraten, die die Kommunisten vielerorts nicht allein für die Aktionseinheit, sondern für die sofortige Gründung einer »Einheitspartei« gewinnen wollten (oder gleich direkt der KPD beitreten wollten, weil eine Neugründung der SPD überflüssig sei).


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NEUER BEITRAG11.06.2025, 13:40 Uhr
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Einheit statt Zerstückelung

Dass deutsche Parteien in der sowjetischen Besatzungszone bereits rund vier Wochen nach der Kapitulation der faschistischen Wehrmacht legalisiert wurden, war Resultat einer Erhöhung des Tempos der sowjetischen Deutschland-Politik: Am 4. Juni 1945 wurden Ulbricht, Anton Ackermann und Gustav Sobottka, also die Leiter der drei »Initiativgruppen« der KPD in der sowjetischen Besatzungszone, in Moskau zusammen mit dem noch dort verweilenden Parteivorsitzenden Wilhelm Pieck in einer Beratung mit Stalin und Georgi Dimitroff darüber informiert, dass schon in den nächsten Tagen die formelle Reorganisation von antifaschistisch-demokratischen Parteien gestattet werden würde.

Der frühe Zeitpunkt war überraschend – nicht nur für die deutschen Kommunisten, sondern insbesondere auch für die Westalliierten. Davon, dass »die alten großen Parteien wieder aufleben werden« (Pieck im Dezember 1944), waren die führenden deutschen Kommunisten allerdings stets ausgegangen. In den erst nach 1990 zugänglich gewordenen Notizen Wilhelm Piecks über die Beratungen Anfang Juni 1945 findet sich auch eine Antwort auf die Frage, woher die Eile kam. Deutlich wird der Zusammenhang zwischen der Beschleunigung der Formierung »einheitlicher« deutscher Parteien bzw. eines »Blocks antifaschistisch-demokratischer Parteien« und der Wendung Moskaus gegen Zerstückelungspläne der Westmächte: »Einheit Deutschlands sichern durch einh. KPD einh. ZK einh. Partei der Werktätigen«, hielt Pieck zusammenfassend fest.

Mit der Abfassung des kommunistischen Aufrufes wurde Ackermann beauftragt, der 1945 zusammen mit Ulbricht, Pieck und dem wenig später aus dem KZ Mauthausen zurückgekehrten Franz Dahlem den inneren Kreis der Parteiführung bildete. Der Entwurf, den Ackermann in der Nacht vom 5. zum 6. Juni erarbeitete, wurde anschließend mit der sowjetischen Parteispitze diskutiert und noch einmal überarbeitet. Es ist also legitim, das Dokument – die erste programmatische Stellungnahme einer deutschen Partei nach Kriegsende – mindestens so sehr als Ausdruck der deutschlandpolitischen Intentionen Moskaus wie der Absichten der KPD-Führung zu verstehen.

Mit dem Aufruf an das »schaffende Volk in Stadt und Land« und an die »deutsche Jugend« wollte die KPD einem breiten Publikum ihre Einschätzung der eingetretenen Situation und ihrer Ursachen bekanntmachen und zugleich eine Plattform anbieten, die die Basis für ein gemeinsames Vorgehen unterschiedlicher politischer Kräfte bei einer Umgestaltung Deutschlands unter antifaschistischen und demokratischen Vorzeichen bieten konnte. Sprachlich besticht der Aufruf noch heute durch einen präzisen und zugleich populären Stil.

In wenigen prägnanten Sätzen wird eingangs die katastrophale Lage geschildert: »Unsere Städte sind zerstört, weite ehemals fruchtbare Gebiete verwüstet und verlassen. Die Wirtschaft ist desorganisiert und völlig gelähmt. Millionen und Abermillionen Menschenopfer hat der Krieg verschlungen, den das Hitlerregime verschuldete, Millionen wurden in tiefste Not und größtes Elend gestoßen. Eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes ist über Deutschland hereingebrochen, und aus den Ruinen schaut das Gespenst der Obdachlosigkeit, der Seuchen, der Arbeitslosigkeit, des Hungers.« Unmittelbar danach wird die Frage gestellt, wer dafür die Verantwortung trägt. Zunächst benannt werden die führenden Nazis und »die aktiven Helfer und Anhänger der Nazipartei«. Es folgen die »Träger des reaktionären Militarismus« und sodann »die imperialistischen Auftraggeber der Nazipartei, die Herren der Großbanken und Konzerne«.

Einzeln und unmissverständlich benannt werden die Verbrechen des deutschen Faschismus, angefangen bei den verschiedenen militärischen Aggressionen, als deren »größte und verhängnisvollste« der Überfall auf die Sowjetunion benannt wird. Ausdrücklich hingewiesen wird auf die »Millionen gemordeter Kinder, Frauen und Greise«: »In den Todeslagern wurde die Menschenvernichtung Tag für Tag fabrikmäßig in Gaskammern und Verbrennungsöfen betrieben.« Die Welt sei »erschüttert und zugleich von tiefstem Hass gegenüber Deutschland erfüllt angesichts dieser beispiellosen Verbrechen«. Die Aufzählung endet mit einer Frage: »Wäre gleiches mit gleichem vergolten worden, deutsches Volk, was wäre mit dir geschehen?«


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NEUER BEITRAG11.06.2025, 13:42 Uhr
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Kritik und Selbstkritik

Die Armeen der Antihitlerkoalition hätten auch dem »schaffenden deutschen Volk« »Frieden und Befreiung aus den Ketten der Hitlersklaverei gebracht«. Allerdings trage »das deutsche Volk einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung für den Krieg und seine Folgen«. »Nicht nur Hitler« sei für die Verbrechen verantwortlich. Zehn Millionen Deutsche hätten 1932 bei freien Wahlen für Hitler gestimmt, »obwohl wir Kommunisten warnten: ›Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg!‹« Schuldig gemacht hätten sich auch »alle jene deutschen Männer und Frauen, die willenlos und widerstandslos zusahen, wie Hitler die Macht an sich riss, wie er alle demokratischen Organisationen, vor allem die Arbeiterorganisationen, zerschlug und die besten Deutschen einsperren, martern und köpfen ließ«. Schuld trügen auch die, »die in der Aufrüstung die ›Größe Deutschlands‹ sahen und im wilden Militarismus, im Marschieren und Exerzieren das alleinseligmachende Heil der Nation erblickten«.

Millionen Deutsche seien schließlich der Nazidemagogie und dem »Gift der tierischen Rassenlehre« verfallen, breite Bevölkerungsschichten hätten das »Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit« verloren und seien Hitler gefolgt, »als er ihnen einen gutgedeckten Mittags- und Abendbrottisch auf Kosten anderer Völker« versprach. In diesen Passagen war der Aufruf der KPD nichts anderes als eine Anklage großer Teile der deutschen Öffentlichkeit – wenn sich jeder schuldig gemacht hatte, der auch nur passiv geblieben war und nicht aktiv Widerstand geleistet hatte, dann war hier nur eine kleine Minderheit des deutschen Volkes vom Schuldvorwurf ausgenommen. Es gibt kein Dokument einer anderen deutschen Partei, in dem in den Nachkriegsjahren diese Dinge – und schon gar nicht mit solcher Schärfe – ausgesprochen werden.

Aber dabei blieb der Aufruf nicht stehen. In einer selbstkritischen Wendung stellte sich auch die KPD einer spezifischen Verantwortung. Die Errichtung und Festigung der faschistischen Diktatur wäre »gegen den Willen eines geeinten und kampfbereiten Volkes« nicht möglich gewesen, hieß es: »Wir deutschen Kommunisten erklären, dass auch wir uns schuldig fühlen, indem wir es trotz der Blutopfer unserer besten Kämpfer infolge einer Reihe unserer Fehler nicht vermocht haben, die antifaschistische Einheit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz entgegen allen Widersachern zu schmieden, im werktätigen Volk die Kräfte für den Sturz Hitlers zu sammeln, in den erfolgreichen Kampf zu führen und jene Lage zu vermeiden, in der das deutsche Volk geschichtlich versagte.«

Auch diese Selbstkritik ist in diesem geschichtlichen Augenblick ohne Beispiel – man vergleiche sie etwa mit den Ausführungen Kurt Schumachers 1947 in Zürich, wo er vor Sozialisten und Sozialdemokraten aus anderen Ländern erklärte, »dass bei strengster Prüfung die Schuld der deutschen Sozialdemokraten, gemessen an der Schuld der anderen Kräfte, sehr klein war« (selbstverständlich hatte Schumacher gleich 1945 den Kommunisten eine »große Schuld am Aufkommen des Faschismus« attestiert).

Mit der Sozialdemokratie ging der Aufruf der KPD sehr zurückhaltend um. Von Mitschuld war allenfalls indirekt die Rede, wenn festgestellt wurde, dass »am Ende des ›Dritten Reiches‹« auch sozialdemokratische Arbeiter der Einschätzung zustimmen werden, dass sich »die faschistische Pest in Deutschland nur ausbreiten konnte, weil 1918 die Kriegsschuldigen und Kriegsverbrecher ungestraft blieben, weil nicht der Kampf um eine wirkliche Demokratie geführt wurde, weil die Weimarer Republik der Reaktion freies Spiel gewährte, weil die Antisowjethetze einiger demokratischer Führer Hitler den Weg ebnete und die Ablehnung der antifaschistischen Einheitsfront die Kraft des Volkes lähmte«. Daraus wurde gefolgert: keine Wiederholung der Fehler von 1918, »keine Spaltung des schaffenden Volkes«, keine Nachsicht gegenüber Nazismus und Reaktion, nie wieder Hetze gegen die Sowjetunion: »Ein ganz anderer Weg muss beschritten werden!«

Grundsätzlich sei der Neuaufbau Deutschlands so durchzuführen, »dass eine dritte Wiederholung der imperialistischen Katastrophenpolitik unmöglich wird«. Dazu müssten die antinazistischen Kräfte gemeinsam für die »Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk« kämpfen. Der Charakter dieser Republik, mit der »die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde«, abgeschlossen werden sollte, ergab sich aus dem abschließenden Aktionsprogramm. Gefordert wurden unter anderem Liquidierung der Überreste des Nazismus; Bestrafung der Kriegs- und Naziverbrecher; Aufnahme des Kampfes gegen materielle Kriegsfolgen wie Obdachlosigkeit, Krankheit und Hunger; »ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative«; Kampf gegen die Spekulation; Herstellung demokratischer Rechte und Freiheiten für das Volk; demokratische Erneuerung der Justiz, von Bildung und Erziehung; Schutz der Belegschaften gegen Unternehmerwillkür und tarifliche Regelung der Löhne und Arbeitsbedingungen; Enteignung des Vermögens der führenden Nazis und der Kriegsverbrecher, Zerschlagung des Großgrundbesitzes; Übergabe lebenswichtiger und »verlassener« Betriebe an die demokratische Verwaltung; Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmachung und eine gerechte Verteilung der sich daraus ergebenden Lasten.

Das war kein Revolutionsprogramm (ausdrücklich festgehalten wurde, dass es falsch sei, Deutschland »das Sowjetsystem aufzuzwingen«, und das Wort Sozialismus tauchte überhaupt nicht auf), sondern das Programm einer radikaldemokratischen Umgestaltung von Staat und Gesellschaft, berechnet auf die Mitwirkung der Sozialdemokratie (mit der zunächst eine Aktionseinheit angestrebt wurde) und der dafür ansprechbaren Teile des Bürgertums, der Bauernschaft und der Intelligenz (die sich politisch im Rahmen des Blocks der antifaschistisch-demokratischen Kräfte einbringen sollten).

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NEUER BEITRAG11.06.2025, 13:45 Uhr
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FPeregrin

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Keine Grundlage mehr

Konzeptionell blieb diese antifaschistisch-demokratische Orientierung ungeachtet aller sich aus der Entwicklung ergebenden Modifikationen (und der ebenfalls mit dem Namen von Anton Ackermann verbundenen Einführung einer sozialistischen Orientierung in diese Konzeption im Januar 1946) im Prinzip maßgebend für die Politik der KPD und dann der SED noch bis in die ersten Jahre der DDR hinein. Allerdings hatte diese Politik, insofern sie auf die Sicherung der Einheit Deutschlands abhob, allerspätestens mit dem Übergang zur offenen Vorbereitung der Gründung eines westdeutschen Separatstaates 1948 keine reale Grundlage mehr. Und die Sozialdemokratie, der im Juni 1945 von der KPD im gesamtdeutschen Maßstab die Aktionseinheit angeboten worden war, richtete in Westdeutschland ihre politische Arbeit vor allem gegen die KPD – seit 1947 zum Beispiel mit eigenen Betriebsgruppen, die allein zu dem Zweck existierten, den zunächst sehr erheblichen Einfluss der Kommunisten in den Betrieben und Betriebsräten auszuschalten.

Eingeschränkte Reichweite und Scheitern der Politik vom Juni 1945 resultierten in erster Linie aus der Forcierung der deutschen Teilung. Während sich alle anderen Parteien mehr oder weniger frühzeitig auf die »Realitäten« dieser Teilung einstellten – im Fall der SPD etwa hatten sich die Parteiorganisationen in den Westzonen auf Betreiben der Richtung um Schumacher bereits mit der Konferenz von Wennigsen im Oktober 1945 faktisch vom Berliner Zentralausschuss abgekoppelt –, agierten KPD und SED noch bis zur Jahreswende 1948/49, von den westlichen Militärregierungen nach Kräften behindert, als gesamtdeutsche Partei, deren Parteiführung in Berlin saß. Erst 1948 wurde ein Parteivorstand der KPD für die Westzonen gebildet, der im Januar 1949, als die Gründung eines westdeutschen Separatstaates unmittelbar bevorstand, die äußerliche Trennung von der SED beschloss.

Man sieht hier sehr klar, von wem die deutsche Teilung betrieben wurde und von wem nicht. Das ändert aber nichts daran, dass die späte Umstellung der KPD auf die spezifischen Probleme der »westdeutschen« Politik ein Nachteil war und der gesamtdeutsche und antifaschistisch-demokratische Ansatz von KPD und SED von den westlichen Besatzungsmächten und den mit ihnen verbündeten restaurativen und rechtssozialdemokratischen Kräften schon 1946/47 durchkreuzt worden war.

Sieht man von dieser, dem Einfluss deutscher politischer Akteure bis zu einem gewissen Grad entzogenen Ebene ab, muss als wesentlicher, von den antikommunistischen Kräften gespannter Fallstrick noch die zunächst auf dem Wege der Flüsterpropaganda vorgenommene Diskreditierung der KPD als »Russenpartei« erwähnt werden. Mit dieser sehr wirksamen Denunziation wurde, geschickt an nationalistische Stimmungen und die soeben erst verstummte faschistische Propaganda anknüpfend, der KPD abgesprochen, einen legitimen und eigenständigen Ansatz für die politische Neugestaltung Deutschlands zu vertreten.

Massen- statt Kaderpartei

Zuletzt sei an dieser Stelle zumindest kurz darauf hingewiesen, dass die »neue Linie« der KPD im Sommer 1945 auch mit einem Abrücken von dem gerade von den Funktionären dieser Partei verinnerlichten Konzept der Kader- und Avantgardepartei verbunden war. Ziel war nun der Aufbau einer Massen- und »Staatspartei« – der insofern erfolgreich war, als die KPD allein in der sowjetischen Besatzungszone im Dezember 1945 bereits rund 372.000 Mitglieder zählte, also mehr als die 360.000 Mitglieder von 1932/33 im gesamten damaligen Reichsgebiet. Voraussetzung dafür war eine ausdrückliche Öffnung für Mitglieder »aus allen Schichten der Bevölkerung«, darunter zum Beispiel auch konfessionell gebundene Menschen und solche aus »Intelligenz« und »Mittelstand«. Bewusst wurde in diesem Zusammenhang auf den Neuaufbau eines kommunistischen Jugendverbandes und anderer kommunistischer Massenorganisationen verzichtet. Recht rasch wurde auch ein Verzicht auf Symbole wie Hammer, Sichel und Sowjetstern durchgesetzt – derlei galt nun als Symptom des auf Schritt und Tritt gegeißelten »Sektierertums«. Auch die zunächst erfolgende Reorganisierung auf der Grundlage der alten Bezirke und Unterbezirke wurde zügig auf eine Gliederung in Landes- und Kreisparteiorganisationen entlang der Verwaltungsgrenzen umgestellt.

Wilhelm Thiele, im Juni 1945 der führende Mann in der neu gebildeten Unterbezirksleitung im Berliner Arbeiterbezirk Wedding, hat eine Anekdote überliefert, die zeigt, wie die Spitzenfunktionäre den Mitgliedern vermittelten, dass keine Reorganisation der »alten« KPD anstand. Die Unterbezirksleitung hatte beschlossen, die erste Versammlung der Weddinger KPD nach dem Aufruf vom 11. Juni im Lokal »Sängerheim« durchzuführen – einst das bekannteste kommunistische Versammlungslokal im Wedding. Die Nazis hatten es 1933 geschlossen und »verkommen lassen«. Nun richteten die Genossen den Saal wieder so her, wie sie ihn in der Hochzeit des »roten Wedding« gekannt hatten. Als Referent war Anton Ackermann geladen. Thiele: »Er war nun aber gar nicht von unserer Traditionspflege entzückt. Im Gegenteil, er nannte uns Sektierer, die in die Zeit der alten KPD zurückwollten und nicht begriffen, dass wir jetzt die Macht hatten. Wir verkröchen uns in eine alte Scheune, statt die allerbesten Räume für die Partei zu nutzen. Offen gesagt, befremdeten mich diese Äußerungen, ja ich empfand diese sogar als beleidigend.«

Auch wenn davor zu warnen ist, den Konflikt zwischen den (alten) Genossen und der Parteiführung ins Grundsätzliche hinein zu überzeichnen, so steht doch außer Frage, dass 1945 nennenswerte Spannungen auftraten, die sich aus der »neuen Linie« bzw. dem mit dieser Linie verbundenen organisationspolitischen Konzept ergaben und die auf einen tatsächlich tiefergehenden Bruch mit dem hergebrachten Verständnis kommunistischer politischer Praxis hindeuten. Das ist von Bedeutung, weil das neue Parteiverständnis im Grundsatz späterhin nicht mehr revidiert wurde: Es war letztlich auch für die SED prägend und ist 1989 als Modell kommunistischer Organisierung mit ihr gescheitert.


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NEUER BEITRAG15.06.2025, 17:48 Uhr
EDIT: FPeregrin
15.06.2025, 18:02 Uhr
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FPeregrin

Zur Neukonstituierung d. KPD 1945 In den Mitteilungen der Kommunistischen Plattform vom Juni ist der Primärtext dankenswerterweise noch einmal dokumentiert. Ich spiegel ihn hierher:

Aufruf der KPD vom 11. Juni 1945

Dokumentation

Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei an das deutsche Volk zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands vom 11. Juni 1945
[1]

Schaffendes Volk in Stadt und Land!

Männer und Frauen! Deutsche Jugend!

Wohin wir blicken, Ruinen, Schutt und Asche. Unsere Städte sind zerstört, weite, ehemals fruchtbare Gebiete verwüstet und verlassen. Die Wirtschaft ist desorganisiert und völlig gelähmt. Millionen und Abermillionen Menschenopfer hat der Krieg verschlungen, den das Hitlerregime verschuldete, Millionen wurden in tiefste Not und größtes Elend gestoßen.

Eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes ist über Deutschland hereingebrochen, und aus den Ruinen schaut das Gespenst der Obdachlosigkeit, der Seuchen, der Arbeitslosig­keit, des Hungers.

Und wer trägt daran die Schuld?

Die Schuld und Verantwortung tragen die gewissenlosen Abenteurer und Verbrecher, die die Schuld am Kriege tragen. Es sind die Hitler und Göring, Himmler und Goebbels, die aktiven Anhänger und Helfer der Nazipartei. Es sind die Träger des reaktionären Militarismus, die Keitel, Jodl und Konsorten. Es sind die imperialistischen Auftraggeber der Nazipartei, die Herren der Großbanken und Konzerne, die Krupp und Röchling, Poensgen und Siemens.

Eindeutig ist diese Schuld. Sie wurde von den Naziführern selbst offen bekannt, als sie auf der Höhe ihrer trügerischen Triumphe standen, als ihnen Sieg und Beute gesichert erschienen.

Euch allen, ihr Männer und Frauen des schaffenden Volkes, Euch Soldaten und Offizie­ren klingen noch die Worte in den Ohren:

»Das ist für uns der Sinn des Krieges: Wir kämpfen nicht um Ideale; wir kämpfen um die ukrainischen Weizenfelder, um das kaukasische Erdöl, den Reichtum der Welt. Gesund­stoßen wollen wir uns!«

Dafür wurde das nationale Dasein unseres Volkes aufs Spiel gesetzt. Der totale Krieg Hit­lers – das war der ungerechteste, wildeste und verbrecherischste Raubkrieg aller Zeiten!

Das Hitlerregime hat sich als Verderben für Deutschland erwiesen; denn durch seine Politik der Aggression und der Gewalt, des Raubes und des Krieges, der Völkervernich­tung hat Hitler unser eigenes Volk ins Unglück gestürzt und es vor der gesamten gesit­teten Menschheit mit schwerer Schuld und Verantwortung beladen.

Ein Verbrechen war die gewaltsame Annexion Österreichs, die Zerstückelung der Tsche­choslowakei. Ein Verbrechen war die Eroberung und Unterdrückung Polens, Däne­marks, Norwegens, Belgiens, Hollands und Frankreichs, Jugoslawiens und Griechen­lands. Ein Verbrechen, das sich so furchtbar an uns selbst rächte, war die Coventrie­rung und Ausradierung englischer Städte.

Das größte und verhängnisvollste Kriegsverbrechen Hitlers aber war der heimtückische, wortbrüchige Überfall auf die Sowjetunion, die nie einen Krieg mit Deutschland gewollt hat, aber seit 1917 dem deutschen Volke zahlreiche Beweise ehrlicher Freundschaft erbracht hat.

Deutsche Arbeiter! Konnte es ein größeres Verbrechen als diesen Krieg gegen die Sowjetunion geben?!

Und ungeheuerlich sind die Greueltaten, die von den Hitlerbanditen in fremden Ländern begangen wurden. An den Händen der Hitlerdeutschen klebt das Blut von vielen, vielen Millionen gemordeter Kinder, Frauen und Greise. In den Todeslagern wurde die Men­schenvernichtung Tag für Tag fabrikmäßig in Gaskammern und Verbrennungsöfen betrieben. Bei lebendigem Leibe verbrannt, bei lebendigem Leibe verscharrt, bei leben­digem Leibe in Stücke geteilt, – so haben die Nazibanditen gehaust!

Millionen Kriegsgefangene und nach Deutschland verschleppte ausländische Arbeiter wurden zu Tode geschunden, starben an Hunger, Kälte und Seuchen.

Die Welt ist erschüttert und zugleich von tiefstem Haß gegenüber Deutschland erfüllt angesichts dieser beispiellosen Verbrechen, dieses grauenerregenden Massenmordens, das von Hitlerdeutschland als System betrieben wurde.

Wäre gleiches mit gleichem vergolten worden, deutsches Volk, was wäre mit dir ge­schehen?

Aber auf der Seite der Vereinten Nationen, mit der Sowjetunion, England und den Verei­nigten Staaten an der Spitze, stand die Sache der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Fortschritts. Die Rote Armee und die Armeen ihrer Verbündeten haben durch ihre Opfer die Sache der Menschheit vor der Hitlerbarbarei gerettet. Sie haben die Hitlerarmee zerschlagen, den Hitlerstaat zertrümmert und damit auch dir, schaffendes deutsches Volk, Frieden und Befreiung aus den Ketten der Hitlersklaverei gebracht.

Um so mehr muß in jedem deutschen Menschen das Bewußtsein und die Scham bren­nen, daß das deutsche Volk einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung für den Krieg und seine Folgen trägt.

Nicht nur Hitler ist schuld an den Verbrechen, die an der Menschheit begangen wurden! Ihr Teil Schuld tragen auch die zehn Millionen Deutsche, die 1932 bei freien Wahlen für Hitler stimmten, obwohl wir Kommunisten warnten: »Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg!«

Ihr Teil Schuld tragen alle jene deutschen Männer und Frauen, die willenlos und wider­standslos zusahen, wie Hitler die Macht an sich riß, wie er alle demokratischen Organi­sationen, vor allem die Arbeiterorganisationen, zerschlug und die besten Deutschen einsperren, martern und köpfen ließ.

Schuld tragen alle jene Deutschen, die in der Aufrüstung die »Größe Deutschlands« sahen und im wilden Militarismus, im Marschieren und Exerzieren das alleinselig­machende Heil der Nation erblickten.

Unser Unglück war, daß Millionen und aber Millionen Deutsche der Nazidemagogie ver­fielen, daß das Gift der tierischen Rassenlehre, des »Kampfes um Lebensraum« den Organismus des Volkes verseuchen konnte.

Unser Unglück war, daß breite Bevölkerungsschichten das elementare Gefühl für An­stand und Gerechtigkeit verloren und Hitler folgten, als er ihnen einen gutgedeckten Mit­tags- und Abendbrottisch auf Kosten anderer Völker durch Krieg und Raub versprach.

So wurde das deutsche Volk zum Werkzeug Hitlers und seiner imperialistischen Auf­traggeber.

Deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen! Deutsche Arbeiterjugend!

Schaffendes deutsches Volk!

Gegen den Willen eines geeinten und kampfbereiten Volkes hätte Hitler niemals die Macht ergreifen, sie festigen und seinen verbrecherischen Krieg führen können. Wir deutschen Kommunisten erklären, daß auch wir uns schuldig fühlen, indem wir es trotz der Blutopfer unserer besten Kämpfer infolge einer Reihe unserer Fehler nicht vermocht haben, die antifaschistische Einheit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz entgegen allen Widersachern zu schmieden, im werktätigen Volk die Kräfte für den Sturz Hitlers zu sammeln, in den erfolgreichen Kampf führen und jene Lage zu vermeiden, in der das deutsche Volk geschichtlich versagte.

Nach all dem Leid und Unglück, der Schmach und Schande, nach der dunkelsten Aera deutscher Geschichte, heute, am Ende des »Dritten Reiches«, wird uns auch der sozial­demokratische Arbeiter recht geben, daß sich die faschistische Pest in Deutschland nur ausbreiten konnte, weil 1918 die Kriegsschuldigen und Kriegsverbrecher ungestraft blieben, weil nicht der Kampf um eine wirkliche Demokratie geführt wurde, weil die Weimarer Republik der Reaktion freies Spiel gewährte, weil die Antisowjethetze einiger demokratischer Führer Hitler den Weg ebnete und die Ablehnung der antifaschistischen Einheitsfront die Kraft des Volkes lähmte.


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NEUER BEITRAG15.06.2025, 17:55 Uhr
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Daher fordern wir:

Keine Wiederholung der Fehler von 1918!

Schluß mit der Spaltung des schaffenden Volkes!

Keinerlei Nachsicht gegenüber dem Nazismus und der Reaktion.

Nie wieder Hetze und Feindschaft gegenüber der Sowjetunion; denn wo diese Hetze auftaucht, da erhebt die imperialistische Reaktion ihr Haupt!

Die Kommunistische Partei Deutschlands war und ist die Partei des entschiedenen Kampfes gegen Militarismus, Imperialismus und imperialistischen Krieg. Sie ist nie von diesem Wege abgewichen. Sie hat die Fahne Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, Ernst Thälmanns und Jonny Schehrs stets reingehalten. Mit Stolz blicken wir Kommu­nisten auf diesen Kampf zurück, in dem unsere besten und treuesten Genossen fielen. Rechtzeitig und eindringlich haben wir gewarnt, der imperialistische Weg, der Weg des Hitlerfaschismus führt Deutschland unvermeidlich in die Katastrophe.

Im Januar 1933 forderte die Kommunistische Partei zum einmütigen Generalstreik auf, um den Machtantritt Hitlers zu verhindern.

Im Juni 1933 haben wir gewarnt:

»Der Krieg steht vor der Tür! Hitler treibt Deutschland in die Katastrophe!«

Im Januar 1939 hat die Berner Konferenz der KPD dem deutschen Volk zugerufen:

»Im Osten wie im Westen schafft das Hitlerregime eine Lage, wo über Nacht das deut­sche Volk in die Katastrophe des Krieges gestürzt werden kann – eines Krieges gegen die gewaltige Front aller von Hitler und der Kriegsachse bedrohten und angegriffenen Völker.«

Im Oktober 1941, als Hitler prahlerisch verkündete, Sowjetrußland sei endgültig zu Boden geworfen und werde sich niemals mehr erheben, da erklärte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands in seinem Aufruf an das deutsche Volk und an das deutsche Heer:

»Dieser Krieg ist ein für das deutsche Volk hoffnungsloser Krieg. Hitlers Niederlage ist unvermeidlich. Die einzige Rettung für das deutsche Volk besteht darin, mit dem Kriege Schluß zu machen. Um aber mit dem Kriege Schluß zu machen, muß Hitler gestürzt werden. Und wehe unserem Volk, wenn es sein Schicksal bis zuletzt an Hitler bindet!«

Jetzt gilt es, gründlich und für immer die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Ein ganz neuer Weg muß beschritten werden!

Werde sich jeder Deutsche bewußt, daß der Weg, den unser Volk bisher ging, ein fal­scher Weg, ein Irrweg war, der in Schuld und Schande, Krieg und Verderben führte!

Nicht nur der Schutt der zerstörten Städte, auch der reaktionäre Schutt aus der Ver­gangenheit muß gründlich hinweggeräumt werden. Möge der Neubau Deutschlands auf solider Grundlage erfolgen, damit eine dritte Wiederholung der imperialistischen Kata­strophenpolitik unmöglich wird.

Mit der Vernichtung des Hitlerismus gilt es gleichzeitig, die Sache der Demokratisie­rung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politi­schen Ablegern zu vernichten.

Wir sind der Auffassung, daß der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedin­gungen in Deutschland.

Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk.

An der gegenwärtigen historischen Wende rufen wir Kommunisten alle Werktätigen, alle demokratischen und fortschrittlichen Kräfte des Volkes zu diesem großen Kampf für die demokratische Erneuerung Deutschlands, für die Wiedergeburt unseres Landes auf!

Die unmittelbarsten und dringendsten Aufgaben auf diesem Wege sind gegen­wärtig vor allem:

1. Vollständige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei. Mithilfe aller ehrlichen Deutschen bei der Aufspürung der versteckten Naziführer, Gestapoagen­ten und SS-Banditen. Restlose Säuberung aller öffentlichen Ämter von den aktiven Na­zisten. Außer der Bestrafung der großen Kriegsverbrecher, die vor den Gerichten der Vereinten Nationen stehen werden, strengste Bestrafung durch deutsche Gerichte aller jener Nazis, die sich krimineller Verbrechen und der Teilnahme an Hitlers Volksverrat schuldig gemacht haben. Schnellste und härteste Maßnahmen gegen alle Versuche, die verbrecherische nazistische Tätigkeit illegal fortzusetzen, gegen alle Versuche, die Her­stellung der Ruhe und Ordnung und eines normalen Lebens der Bevölkerung zu stören.

2. Kampf gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit. Allseitige aktive Unterstüt­zung der Selbstverwaltungsorgane in ihrem Bestreben, rasch ein normales Leben zu sichern und die Erzeugung wieder in Gang zu bringen. Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Pri­vateigentums. Wirkungsvolle Maßnahmen zum Wiederaufbau der zerstörten Schulen, Wohn- und Arbeitsstätten. Strenge Sparsamkeit in der Verwaltung und bei allen öffentli­chen Ausgaben. Umbau des Steuerwesens nach dem Grundsatz der progressiven Stei­gerung. Sicherung der restlosen Ernteeinbringung auf dem Wege breiter Arbeitshilfe für die Bauern. Gerechte Verteilung der Lebensmittel und der wichtigsten Verbrauchs­gegenstände; energischer Kampf gegen die Spekulation.

3. Herstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes. Wiederherstellung der Legalität freier Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie der anti-faschistischen demokratischen Parteien. Umbau des Gerichtswesens gemäß den neuen demokratischen Lebensformen des Volkes. Gleichheit aller Bürger ohne Unterschied der Rasse vor dem Gesetz und strengste Bestrafung aller Äußerungen des Rassenhasses. Säuberung des gesamten Erziehungs- und Bildungswesens von dem faschistischen und reaktionären Unrat. Pflege eines wahrhaft demokratischen, fortschrittlichen und freiheit­lichen Geistes in allen Schulen und Lehranstalten. Systematische Aufklärung über den barbarischen Charakter der Nazi-Rassentheorie, über die Verlogenheit der »Lehre vom Lebensraum«, über die katastrophalen Folgen der Hitlerpolitik für das deutsche Volk. Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und künstlerischen Gestaltung.

4. Wiederaufrichtung der auf demokratischer Grundlage beruhenden Selbstverwaltungs­organe in den Gemeinden, Kreisen und Bezirken sowie der Provinzial- bzw. Landesverwal­tungen und der entsprechenden Landtage.

5. Schutz der Werktätigen gegen Unternehmerwillkür und unbotmäßige Ausbeutung. Freie demokratische Wahlen der Betriebsvertretungen der Arbeiter, Angestellten und Beam­ten in allen Betrieben, Büros und bei allen Behörden. Tarifliche Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Öffentliche Hilfsmaßnahmen für die Opfer des faschistischen Ter­rors, für Waisenkinder, Invaliden und Kranke. Besonderer Schutz den Müttern.

6. Enteignung des gesamten Vermögens der Nazibonzen und Kriegsverbrecher, Übergabe dieses Vermögens in die Hände des Volkes zur Verfügung der kommunalen oder provin­zialen Selbstverwaltungsorgane.

7. Liquidierung des Großgrundbesitzes, der großen Güter der Junker, Grafen und Fürsten und Übergabe ihres ganzen Grund und Bodens sowie des lebenden und toten Inventars an die Provinzial- bzw. Landesverwaltungen zur Zuteilung an die durch den Krieg ruinier­ten und besitzlos gewordenen Bauern. Es ist selbstverständlich, daß diese Maßnahmen in keiner Weise den Grundbesitz und die Wirtschaft der Großbauern berühren werden.

8. Übergabe aller jener Betriebe, die lebenswichtigen öffentlichen Bedürfnissen dienen (Verkehrsbetriebe, Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke usw.) sowie jener Betriebe, die von ihren Besitzern verlassen wurden, in die Hände der Selbstverwaltungsorgane der Gemeinden oder Provinzen bzw. Länder.

9. Friedliches und gutnachbarliches Zusammenleben mit den anderen Völkern. Entschie­dener Bruch mit der Politik der Aggression und der Gewalt gegenüber anderen Völkern, der Politik der Eroberung und des Raubes.

10. Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmachung für die durch die Hitleraggression den anderen Völkern zugefügten Schäden. Gerechte Verteilung der sich daraus ergeben­den Lasten auf die verschiedenen Schichten der Bevölkerung nach dem Grundsatz, daß die Reicheren auch eine größere Last tragen.


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NEUER BEITRAG15.06.2025, 17:59 Uhr
Nutzer / in
FPeregrin

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Werktätige in Stadt und Land!

Das sind die ersten und dringendsten Aufgaben zum Wiederaufbau Deutschlands, zur Neugeburt unseres Volkes. Diese Aufgaben können nur durch die feste Einheit aller anti­faschistischen, demokratischen und fortschrittlichen Volkskräfte verwirklicht werden.

Erfüllt von der Erkenntnis des Ausmaßes der Katastrophe und den verhängnisvollen Fol­gen der bisherigen Spaltung des Volkes gegenüber Nazismus und Reaktion bricht sich in Stadt und Land immer stärker der Drang zur Einheit Bahn. In Übereinstimmung mit diesem Willen des Volkes darf den Spaltern und Saboteuren der Einheit kein Zoll Raum für ihr verräterisches Werk gegeben werden. Notwendig ist

die Schaffung einer festen Einheit der Demokratie für die endgültige Liquidierung des Nazismus und zum Aufbau eines neuen demokratischen Deutschlands!

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands ist der Auffassung, daß das vorstehende Aktionsprogramm als Grundlage zur Schaffung eines Blocks der anti­faschistischen, demokratischen Parteien (der Kommunistischen Partei, der Sozialdemo­kratischen Partei, der Zentrumspartei und anderer) dienen kann.

Wir sind der Auffassung, daß ein solcher Block die feste Grundlage im Kampf für die völlige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und für die Aufrichtung eines demokratischen Regimes bilden kann.

Ein neues Blatt in der Geschichte des deutschen Volkes wird aufgeschlagen. Aus den Lehren des Niederbruchs Deutschlands bahnen sich im Volk neue Erkenntnisse den Weg.

Wir erklären:

Feste Einheit, entschlossener Kampf und beharrliche Arbeit bilden die Garantien des Erfolges unserer gerechten Sache!

Fester den Tritt gefaßt! Höher das Haupt erhoben! Mit aller Kraft ans Werk! Dann wird aus Not und Tod, Ruinen und Schmach die Freiheit des Volkes und ein neues würdiges Leben erstehen.

Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands

Im Auftrage

Berlin, den 11. Juni 1945


Anmerkung:

[1] Quelle: Link ...jetzt anmelden! – Hier nach: BArch RY 1/1768, Bl. 36.

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